Gauchogate und die angeblichen Intellektuellen der deutschen Presse

Gauchogate und die angeblichen Intellektuellen der deutschen PresseMan könnte fast meinen, unsere hochintellektuellen Vorzeige-Journalisten hätten nur darauf gewartet, endlich das Haar in der Suppe des WM-Sieges 2014 der deutschen Nationalmannschaft zu finden, nachdem es in den letzten Wochen fast nur positive Nachrichten zu vermelden gab. Nach 24 Jahren haben WIR – @Halina WawzyniakEx-SEDDie Linke – den Fußball-Weltmeister-Titel wieder nach Deutschland geholt und entsprechend frenetisch wurde die Ankunft der Spieler in Berlin gefeiert. Doch wenn man heute die deutsche Presse verfolgt hat, steht weniger der eigentliche Sieg im Vordergrund, sondern der infantile Versuch von Teilen der deutschen Presse, aus einem Moment der Überschwänglichkeit eine politische Botschaft zu machen!

taz.de:

Respektlos im Siegesrausch – Die absurde Inszenierung des Marketing-Fan-Meilen-Truck-Korsos findet ihren Höhepunkt im Auftritt der deutschen Mannschaft, die dann eher nichts mehr von Bescheidenheit hat. Die Würdigung einer sportlich besonderen Leistung gerät da im Siegesrausch zu einer kriegergleichen Überhöhung des eigenen Selbst, in der man auch dem Gaucho-Verlierer“ keinen Respekt mehr zollen muss.

FAZ:

Die Siegesfeier am Brandenburger Tor wird zum gigantischen Eigentor. Mit einer üblen Persiflage auf ihren Finalgegner verspielen die deutschen Weltmeister das Image der weltoffenen, toleranten Nation.

Tagesspiegel:

Ihre Freude genügt ihnen nicht, sie finden volle Genugtuung erst dann, wenn sie die trauernden Unterlegenen ein bisschen quälen. Das macht die Peinlichkeit zum Ärgernis.

Grund hierfür ist der Gaucho-Dance. Nur weil sich einige Spieler einen kleinen Scherz auf Kosten des Finalgegners Argentinien machen, wird von Intoleranz gesprochen und die die Freude über den WM-Sieg in Verbindung mit Rassismus und übertriebenem Nationalstolz gebracht. Ausgerechnet die deutsche Nationalmannschaft mit Spieler wie Miroslav Klose, Shkodran Mustafi, Jerôme Boateng und Mesut Özil, das wahrscheinlich multikulturellste Team der WM, so einseitig zu bewerten, ist mal wieder typisch deutsch: kleingeistig und überzogen. Wir festigen damit unseren Ruf als Spaßbremsen. Natürlich war dieser Auftritt nur zum Fremdschämen geeignet und erst ab 2 Promille wirklich lustig, eine typische Schnapsidee eben – im wahrsten Sinne des Wortes. Nur die angeblichen Intellektuellen der deutschen Presse machen mehr daraus und somit den bekannten Elefanten aus einer Mücke – auch – leider – typisch deutsch. Die passende Reaktion im Internet folgte schnell – und passend:

Germany: 12 Points

Was für eine Nacht! AchtNeunmal hieß es Germany: 12 Points – insgesamt 246 Punkte – in den letzten sechs Jahren vorher gab es gerade mal 231 zusammen – Danke Lena Meyer-Landrut, Danke Stefan Raab, Danke Norwegen, dass war ein schöner Eurovision Song Contest. Viele qualitativ hochwertige Teilnehmer und Songs, die wirklich gelungene Idee des Eurovision Song Contest Tanzes, der europaweit bei Veranstaltungen und aus heimischen Wohnzimmern vorgeführt wurde und natürlich der Durchmarsch von Satilite. Endlich haben wir es geschafft, den Erfolg von 1982 zu wiederholen.

Ich gestehe, dass ich ein Fan dieser jährlichen Veranstaltung bin, auch wenn gerade in früheren Zeit der Schlager-Charakter mancher beiträge nicht gerade meinen Musikgeschmack repräsentiert. Aber seitdem ich in 1979 meinen ersten Grand Prix d’Eurovision de la Chanson im Fernsehen verfolgen konnte, bin ich diesem Event treu geblieben. Vor allem dann, wenn Ralph Siegel nicht versuchen konnte, mit altbackenen Songs Europa zeigen zu müssen, dass Deutschland musikalisch in der Steinzeit verblieben sei. Dass er den Erfolg von Lena Meyer-Landrut und Stefan Raab intellektuel nicht nachvollziehen konnte, zeigte er vor zwei Tagen in einem Interview mit dem SZ Magazin der Süddeutsche Zeitung:

Sonst werden wieder nur Amateure geholt, die nicht wissen, wie es geht. Frage: Was heißt hier Amateure? Lena Meyer-Landrut hat mit Satellite beste Chancen. Warten Sie mal ab. Es ist ein Riesenunterschied, ob ich ein paar Wochen lang bei einer ProSieben-Sendung gewinne, wo ein paar tausend Facebook-Kids anrufen, oder ob ich auf einer internationalen Bühne beim Grand Prix stehe. Der Grand Prix ist die Weltmeisterschaft der Musik, das ist eine ganz andere Nummer. […] Dem Dilettantismus sind keine Grenzen mehr gesetzt. Kann schon sein, dass viele Kids aus Deutschland den Song lieben und runterladen, aber in Oslo laufen 24 Künstler auf, und zwar die besten des Landes. Jeder hat drei Minuten. Da hilft kein nationaler Hype, da zählt nur das Lied. Und das muss beim ersten Mal überzeugen, eine zweite Chance gibt es nicht.

Tja, soweit zum Thema Erwartung. Wie war die Realität? Lena Meyer-Landrut brauchte keine Tänzer, keine Geige und auch keine Windmaschine: Dank Stimme, Authenzität und Charisma schaffte sie den Erfolg, den alle ausserhalb Deutschlands bereits vorausgesagt hatten, den nur wir Deutschen bereits vorher madig machen wollten. Natürlich war viel Kalkül mit dabei, Stefan Raab hat einfach viel mehr richtig als falsch gemacht und die notwendige Portion Glück war auch mit dabei. So ist das eben und es gehört zu Show mit dazu. Diesmal waren wir eben am besten. Die Messlatte für die Show 2011 sind gross, insbesondere die Erwartungen an unseren nächsten Contest-Beitrag. Aber egal, das dauert noch fast 12 Monate, jetzt ist erstmal feiern angesagt!

P.S. Für mich bleibt es immer noch der Grand Prix d’Eurovision de la Chanson – klingt doch irgendwie würdevoller …