Telekom schafft Flatrate indirekt ab

Telekom schafft ab Mai 2013 Flatrate indirekt abAls die ersten Gerüchte aufkamen, konnte wollte ich es nicht glauben, doch nun ist es Gewißheit: ab Mai 2013 werden seitens der Deutsche Telekom AG DSL-Verträge nur noch mit Volumengrenzen abgeschlossen, d.h. ab einem erreichten Datenvolumen erfolgt eine Drosselung der Bandbreite:

  • Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 16 Mbit/s: 75 GB
  • Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 50 Mbit/s: 200 GB
  • Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 100 Mbit/s: 300 GB
  • Tarife mit Geschwindigkeiten bis zu 200 Mbit/s: 400 GB

Defacto werden damit die Flatrates abgeschafft, auch wenn die Telekom Ausnahmen angekündigt hat. Diese Ausnahmen betreffen jedoch Altverträge und eigene Dienste und Angebote von Partnern. Zum Beispiel soll das Datenvolumen aus dem Telekomeigenen Fernsehdienst Entertain sowie Sprachtelefonie über den Telekom-Anschluss nicht mit eingerechnet werden. Externe Internet-Anbieter Internet-Dienste müssen im Gegenzug eine Kooperation mit der Telekom für sogenannte Managed Services eingehen, was dann zu Zusatzkosten führt, die sicherlich der Kunde zu Tragen hat.

Natürlich steht es der Deutsche Telekom AG frei, Verträge nach deren Vorstellung anzubieten und es steht den Kunden frei, diese Vertragsangebote anzunehmen oder nicht. Schliesslich leben wir in einer (Sozialen) Marktwirtschaft und dazu gehört auch die Vertragsfreiheit. Nur stellt sich hier schon die Frage, ob die Deutsche Telekom AG aufgrund Ihrer Marktdominanz wirklich so frei ist und ob damit nicht der Wettbewerb auf Dauer unterlaufen wird. Andere Provider werden diesen Beispiel sicherlich zu gern folgen, da der Verkauf der Zusatzbandbreiten lukrativ sein kann.

Und die zweite wichtige Frage ist, inwiefern diese Vertragsgestaltung noch im Einklang mit dem Regulierungsgrundsatz der Netzneutralität steht – schliesslich geht es dabei um einer der Grundgedanken des Internets. Dass diese Netzneutralität nicht im Kernfokus eines Wirtschaftsunternehmens stehen kann, ist nachvollziehbar, daher muss sich nun die Politik dieser Thematik annehmen: dringend, schnell und konsequent.

Auffanggesellschaft scheitert an FDP-Blockade – zu Recht!

Frank Bsirske, Ver.di-Chef:

Die FDP spielt Roulette mit den Arbeitnehmern bei Schlecker. Sie stellt ihre egoistische, parteipolitische Profilierung über das Schicksal der Menschen.

Andrea Nahles, SPD-Generalsekretärin:

Die FDP will gnadenlos und mit allen Mitteln Profil gewinnen und nimmt dafür die Schlecker-Frauen als Geiseln.

Renate Künast, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag:

Die FDP kämpft verzweifelt um die eigene Zukunft, das Schicksal der Schlecker-Mitarbeiterinnen gerät dabei unter die Räder.

So oder ähnlich lauten aktuell viele der Kommentare zum Scheitern der Schlecker-Auffanggesellschaft. Nachdem die Bundesländer Sachsen und Niedersachsen sich entschieden hatten, keine Ausfallbürgschaften für den geplanten 71-Millionen-Euro-Kredit der staatseigene Förderbank KfW mittragen zu wollen, weigerte sich auch die bayerische Landesregierung, allen voran Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP), dieses Modell mitzutragen. Nun wird es also keine Schlecker-Auffanggesellschaft geben und Schuld ist natürlich die FDP, die sich gegen die Soziale Marktwirtschaft stellen würde.

Ach wie schön und einfach ist doch das FDP-Bashing, schließlich kann man dann die Augen vor der Realität verschließen. Denn viele Kommentatoren tun so, als wenn ohne diese Auffanggesellschaft die 11.000 gekündigten Mitarbeiterinnen (und Mitarbeitern) keine soziale Absicherung und keine Chance auf einen beruflichen Wiedereinstieg hätten. Dabei werden m.E. folgende Punkte einfach (absichtlich?) ignoriert:

  • Eine Auffanggesellschaft macht vor allem dann Sinn, wenn in einer Region mit einem Schlag eine sehr hohe Anzahl von Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit entlassen werden müssen, und in dieser Region nicht ausreichend freie Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Im Fall Schlecker verteilen sich die 11.000 betroffenen Mitarbeiterinnen jedoch auf weite Teile der Bundesrepublik und laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit gibt es derzeit bundesweit 25.000 offene Stellen für Verkäuferinnen. Demnach können die bereits vorhandenen Möglichkeiten der Bundesagentur genutzt werden, die vor allem regional besser vernetzt sind als eine zentrale Auffanggesellschaft in Baden-Württemberg jemals sein kann.
  • Schlecker ist vor allem an einem nicht tragfähiges Unternehmenskonzept gescheitert, der u.a. dazu geführt hatte, dass die Mitarbeiterinnen sehr schlecht bezahlt wurde. Die Auffanggesellschaft war u.a. für den Insolvenzverwalter wichtig, damit es möglichst wenige Kündigungsschutzklagen gibt – was sich negativ bei der Investorensuche auswirken würde. Kann es Ziel sein, mit Steuermitteln dieses Unternehmenskonzept durch einen neuen Investor fortführen zu lassen?
  • Den einzelnen Bundesländern hilft die Auffanggesellschaft, die Arbeitslosenstatistik zu kaschieren optimieren, da die entlassenen Mitarbeiterinnen dort erstmal für weitere sechs Monate nicht erfasst werden. Was nach den sechs Monaten passiert ist jedoch genauso offen wie bei einer sofortige Entlassung.
  • Bei diesem Punkt bin ich mir nicht 100%ig sicher, aber wenn ich es richtig mitbekommen habe, werden in der Auffanggesellschaft nur 80% des letzten Gehaltes gezahlt. In der Transfergesellschaft wären gerademal 67% des letzten Nettogehaltes (Quelle) gezahlt worden. Das hätte dann negative Auswirkungen auf ein späteres Arbeitslosengeld, weil die Basis für die Berechnung niedriger ausfällt. Und die Optionen von Kündigungsschutzklagen und Abfindungen bleiben komplett verwehrt.

Ich möchte hier bitte nicht falsch verstanden werden: jede Entlassung ist ein persönliches Einzelschicksal und stellt diese Person und oftmals eine ganze Familie vor Probleme. Egal ob zwei, zehn, 100 oder 11.000 Menschen davon betroffen sind. Es ist daher auch nicht die Frage, ob der Staat hier eingreift, sondern ob die vorhandenen Möglichkeiten mit ALG und Bundesargentur für Arbeit ausreichen oder ob in einem besonderen Härtefall auch zusätzliche Steuermittel z.B. für eine Auffanggesellschaft bereit gestellt werden. Und im Fall Schlecker erscheinen die Rahmendaten dafür nicht gegeben. Ganz im Gegenteil, diese Auffanglösung scheint eher potentiellen Investoren zu helfen als den Mitarbeiterinnen und daher ist aus meiner Sicht die Ablehnung die einzig richtige Konsequenz gewesen.

Man kann sicherlich einiges an der FDP zu Recht kritisieren, aber dieses Thema ist dafür nicht geeignet. Hier versuchen sich angebliche Sozialpolitiker und Gewerkschafter zu profilieren und das geht auf Dauer zu Lasten der Schlecker-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter – und zu Lasten der Sozialen Marktwirtschaft!

Die S&P-Frankreich-Panne – was ist nun peinlicher?

Diese Häme wird die Rating-Agentur Standard & Poor sicherlich so schnell nicht vergessen: Ratingagentur gibt Frankreich eins auf die Mütze – aus Versehen oder Peinliche Panne der Rating-Agentur empört Frankreich gehörten noch zu den harmlosen Schlagzeile, Spiegel Online nennt die Agentur sogar Standard & Murks und der Wiener Kurier stellt folgende These auf: Sorgfältig geplanter Irrtum bei S&P. Seit gestern sind die Finanznachrichten durch die Berichterstattung der irrtümlichen Herabstufung der französischen Kreditwürdigkeit gesprägt.

Wie der Screenshot von ft.com/alphaville rechts zeigt, gab es am Donnerstag nachmittag eine Meldung von S&P, dass ein Downgrade des französischen Staates ansteht – woraufhin die Renditen französischer Anleihen anstiegen und an der Börse die Aktienkurse nachgaben. Gut zwei Stunden gab S&P dann folgende Mitteilung heraus:

LONDON (Standard & Poor’s) Nov. 10, 2011-As a result of a technical error, a message was automatically disseminated today to some subscribers of S&P’s Global Credit Portal suggesting that France’s credit rating had been changed. This is not the case: the ratings on Republic of France remain ‘AAA/A-1+‘ with a stable outlook, and this incident is not related to any ratings surveillance activity. We are investigating the cause of the error.

Es sein also ein technischer Fehler passiert und Frankreich ist nicht herabgestuft worden! Daraufhin beruhigten sich die Märkte auch sukzessive wieder, die Gemüter – insbesondere in Frankreich – aber nicht. Heute kamen – wie nicht anders zu erwarten – erste Forderungen nach einer Haftung der Rating-Agenturen bei Fehlverhalten und Fehlinformationen auf, was bei grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Fehlerverhalten absolut nachvollziehbar ist. Ob das auch hier zutrifft, muss aber erst noch überprüft werden.

Egal, ob es ein technischer Fehler oder schlicht und einfach Blödheit war, die zu dieser Veröffentlichung geführt hat: die Reaktion der Marktteilnehmer und Investoren war nicht viel besser und genauso peinlich! Wäre ein „echter“ Downgrade von Frankreich so unerwartet gekommen? Nein, sicherlich nicht, denn Frankreich gehört zu den größeren Schuldenmachern in Europa und ob hier ein Triple-A, die Bestnote, wirklich noch gerechtfertigt ist, halte ich eher für zweifelhaft. Warum also reagiert dann der Markt so übertrieben auf diese Nachricht? Weil inzwischen auch an den Börsen die Rationalität verloren gegangen ist und das spricht nicht unbedingt für die Marktteilnehmer und -beobachter.

Und wieder zeigt sich die Standard-Reaktion der Politik, die sofort mit Einschränkungen und Drohungen reagiert. Einerseits haben nicht die Rating-Agenturen die Probleme verursacht, sondern versuchen nur diese zu werten. Und andererseits erinnere ich mich noch sehr gut an die politische Kritik zu Zeiten der Subprime-Krise: die Rating-Agenturen hätten verspätet oder gar nicht reagiert und durch zu gute Bewertungen die Auswirkungen der Krise noch verstärkt. Und wenn es nun zu Abwertungen kommt – sei es wie im Falle der USA zu Recht oder im Falle Frankreichs aufgrund einer Panne – dann ist das auch nicht richtig. Das ist – zumindest – Verdummungspolitik – und am peinlichsten!

Das griechische Referendum – der richtige Weg

Griechenlands Ministerpräsident Georgios Papandreou kündigt an, dass das Volk über das Referendum zum – in Griechenland umstrittenen – Sparkurs abstimmen zu lassen und wird nächste Woche bereits die Vertrauensfrage im Parlament stellen. Die Reaktionen sind eindeutig: Die Verärgerung über den Alleingang des Premierministers ist groß. Die Kanzlerin verlangt Klarheit von Papandreou, in der Berichterstattung wird tendenziell Unverständnis für diesen Schritt geäußert, da die Risiken zu hoch sein:

Aber wenn es wirklich darum gehen sollte, den Schuldenschnitt vom Volk absegnen zu lassen, kann Papandreou nicht darauf hoffen, dass die Griechen zustimmen. Denn sie wissen: Der Haircut wird mit neuen, noch härteren Sparmaßnahmen verbunden sein. Dabei stöhnen die Menschen jetzt unter dem Sparkurs der Regierung. Die Wirtschaft rutscht immer tiefer in die Rezession, immer mehr Jobs gehen verloren. Nach einer aktuellen Meldung von Eurostat erreichte die Arbeitslosenquote im Juli 17,6 Prozent. In der Altersgruppe von 15 bis 24 Jahren sind schon mehr als 40 Prozent der Griechen ohne Arbeit. Die Hoffnung, Griechenlands Wirtschaft werde im nächsten Jahr wieder zum Wachstum zurückkehren, hat sich bereits zerschlagen. Frühestens 2013 erwarten die Volkswirte ein Ende der Rezession. Sollte Papandreou wirklich erwarten, dass die Griechen unter diesen düsteren Vorzeichen dem Schuldenschnitt und weiteren Sparmaßnahmen grünes Licht geben, hätte er wohl jeden Realitätssinn verloren. Erst diesen Monat zeigte eine Meinungsumfrage: 85 Prozent sehen das Land „auf dem falschen Weg“, 92 Prozent sind mit der Regierung unzufrieden.(Quelle)

Ich finde, dass George Papandreou trotz aller dieser Risiken das einzig Richtige tut. Ich möchte nicht wissen, wie wir Deutschen reagieren, wenn die EU einen ähnlichen Schritt von uns verlangen würde – im Radio hörte ich heute, dass das griechische Sparpaket auf Deutschland übertragen bei rund 100 Mrd. Euro im Jahr liegen würde! So eine gravierender Einschnitt kann nur umgesetzt werden, wenn das Volk hinter den Maßnahmen steht und das kann man nur über ein Referendum erreichen. Das nennt sich Demokratrie und darauf sollte eigentlich Europa basieren. Dass es keine wirklichen Alternativen zum Sparpaket gibt, ist bei uns sicherlich Mehrheitsmeinung, aber darauf kommt es nunmal weniger an.

Was man sicherlich kritisieren muss, ist der Zeitpunkt – leider kommt das Referendum zu spät. Bereits mit dem ersten Hilfspaket hätte es gestartet werden müssen. Das läßt sich nun nicht mehr ändern. Lieber spät als gar nicht. Natürlich ist das Referendum ein Wagnis, aber das ist Demokratie immer. Spricht sich das griechische Volk für den Sparkurs aus, dürfte das Vertrauen in den Euro und Europa wieder steigen – etwas, was der Eiertanz der letzten Monate nicht erreichen konnte. Freilich wäre das Ergebnis einer Ablehnung durch das griechische Volk ein Disaster – eine Staats-Insolvenz wäre nicht zu vermeiden, Griechenland darf dann keine weitere EU-Hilfen mehr erhalten und die Rückkehr zur Drachme dürfte nicht abzuwenden sein. Ein schlimmes Szenario für Griechenland, aber auch für Europa? Ich glaube nicht.

Die HRE und der 55.500.000.000 Euro Fehler

Dass sich der Schuldenstand der Bundesrepublik Deutschland um 55,5 Mrd. Euro verringert hat, klingt zunächst positiv. Dass dies eine Reduktion der Schuldenquote um 2,6 %-Punkte auf 81,1% des Bruttoinlandproduktes bedeutet, auch noch, wenngleich wir damit immer noch weit weg sind vom Maastricht-Kriterium, welches eine max. Schuldenquote von 60% vorgibt. Warum also reagieren Politker wie der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, wie folgt:

Das ist kein Betrag, den die schwäbische Hausfrau in einer Keksdose versteckt und vergisst. Der unbefangene Beobachter gewinnt den Eindruck, dass das Finanzministerium angesichts immer neuer Rettungspläne völlig die Übersicht verloren hat. Milliarden sind nicht mehr so wichtig. Wir rechnen in Billionen.

Hintergrund für diese Äußerungen sind die aktuellen Veröffentlichungen, dass sich die Banker der bundeseigenen Bank FMS Wertmanagement sich kräftig verrechnet haben resp. dass die Bank die Milliarden schlicht falsch gebucht hat – mit dramatischen Folgen:

Der kapitale Milliardenfehler in den Bilanzen der Bad Bank (FMS Wertmanagement) [der Hypo Real Estate (HRE)], die komplett dem Staat gehört, war vor allem durch fehlerhafte Doppelbuchungen seit dem vergangenen Jahr entstanden. Im Prinzip wurden quasi Addition und Substraktion verwechselt.

Das alles kann man derzeit in vielen Berichten lesen und das klingt natürlich mehr als nur peinlich. Es gibt aber einzelne Aussagen, wie z.B. auf sueddeutsche.de, die mich aufhorchen lassen! Demnach konnte die FMS Wertmanagement im vergangenen Jahr Vermögenswerte von gut 31 Mrd. Euro veräußern, was die Bilanz der FMS und damit auch den Bund entlastet. Das klingt für mich weniger nach einem Rechen- oder Bilanzierungsfehler. Und ferner soll es um Sicherheitsleistungen für Forderungen und Verbindlichkeiten im Rahmen von Finanzderivaten in Höhe von 24,5 Mrd. Euro gehen, die nicht saldiert wurden, sondern jeweils separat in der Aktiva und Passiva der Bilanz ausgewiesen wurden, auch wenn diese mit denselben Geschäftspartnern bestanden. Das klingt auf den ersten Blick unlogisch und wird u.a. wie folgt kommentiert:

Wenn Lieschen Müller Tante Emma 100 Euro schuldet und gleichzeitig 80 Euro von ihr zu bekommen hat, dann schuldet sie ihrer Tante netto nur 20 Euro.

Das mag für diesen einfachen Fall gelten, aber nicht immer ist das deutsche resp. internationale Bilanzierungsrecht so einfach. Ich bin zwar kein Bilanzbuchhalter, aber soweit ich weiss, kann man nicht immer alles einfach saldieren.

Ich bin daher mal sehr gespannt, was in den kommenden Tagen an weiteren Details zu dieser 55,5-Milliarden-Euro-Panne berichtet wird. Sollte es sich herausstellen, dass hier massiv Saldierungsmöglichkeiten nicht genutzt wurden, ohne dass Wirtschaftsprüfer und Kontrollgremien etwas gemerkt haben, dann ist das wirklich oberpeinlich und muss geprüft werden. Eventuell ist die aktuelle Berichterstattung in den Medien aber auch (mal wieder) eine grobe Simplifizierung eines komplexen Sachverhaltes zu Gunsten der Auflagenzahlen…..

Steuersünder-Daten – Darf der Staat das Recht beugen?

Die aktuelle Diskussion über den möglichen Kauf einer Steuersünder-CD zeigt, wie weit das Rechtsempfinden der Deutschen gesunken ist. Zwei Drittel der Deutschen sind nach dem Zwischenstand einer aktuellen Umfrage bei Spiegel Online dafür, dass der Staat rund 2,5 Mio. Euro ausgibt, um die Daten von voraussichtlich 1.500 bundesdeutschen Steuersündern zu kaufen – verbunden mit der Erwartung, geschätzte 100 Mio. Euro Steuernachzahlungen zu erhalten. Ein Supergeschäft!

Richtig, mathematisch gesehen, eine Rendite von 4.000% !!! Dafür lohnt es sich doch, das Recht zu beugen. Selbst die Grünen, einer deren Slogans Deine Daten gehören Dir – Datenschutz ist Bürgerrecht lautet, stimmt hier dem Eingehen einer Straftat zu. Schliesslich ist die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ja dereselben Meinung, da darf man seine eigene Programmatik schnell mal über den Haufen werfen.

Der Kauf von gestohlenen Waren ist nach meiner laienhaften Einschätzung Hehlerei, somit nicht rechtens und ist auch gar nicht mit einer Belohnung zu vergleichen, was aktuell gern als Argument angebracht wird. Belohnt wird, wer dabei hilft, eine Straftat aufzuklären, indem er sachdienliche Hinweise gibt. Ich habe noch nie davon gehört, dass man gleichzeitig dazu aufruft, dabei eine Straftat zu begehen. Wie kann der Staat von seinen Bürgern verlangen, dass diese sich an die Gesetze halten, wenn der Staat gleichzeitig aufgrund der schlechten Haushaltslage das Gegenteil macht und auch noch offen zugibt. Dann braucht ja auch niemand mehr ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn man Schwarzarbeiter nutzt, um die Kosten zu drücken. Dann kann man ja auf Arbeit in die Kasse greifen, um die eigene Finanzlage zu verbessern.

Ich will nicht falsch verstanden werden: der Staat muss gegen Steuersünder vorgehen, mit allen legalen Mitteln, die zur Verfügung stehen. Es ist unfair gegenüber der Masse an ehrlichen Steuerzahlern, dieses soziale System zu untergraben. Wenn wir aber immer mehr das Recht aufweichen, wo ist dann zukünftig die Grenze? Dürfen dann nicht auch bald Wanzen in Wohnungen ohne richerlichen Beschluß angebracht werden, schliesslich ist es ja zum Vorteil der Mehrheit der Bevölkerung. Wie wäre es denn, alle diejenigen mal vorsorglich zu verhaften, die mehr als 100.000 Euro im Jahr verdienen und somit eventuell nennenswert Steuern hinterzogen haben – vielleicht gesteht der ein oder andere dann.

Wenn der Staat damit anfängt, über dem Gesetz zu stehen, machen wir meines Erachtens einen sehr grossen Fehler, der sich erst mit der Zeit auswirken wird. Und nicht unbedingt zum Positiven.

GM verkauft Opel nicht

Nun ist die Katze also aus dem Sack! Nach monatelangen Verhandlungen hat heute Nacht der US-Automobilkonzern General Motors den vielerorts an sicher geltenden Verkauf von Opel an Automobilzulieferer Magna abgesagt und plant nun selber das Europageschäft zu sanieren. Dass man damit eine Reihe von europäischen und deutschen Politikern, allen voran unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel, brüskiert, die nahezu durchweg nur den Verkauf von Opel an Magna als sinnhafte Lösung angesehen und während der Wahlkampfphase laut propagiert haben, wird in Kauf genommen. Doch kommt diese Entscheidung wirklich so unerwartet?

Ich glaube nicht. Schliesslich war von Anfang an bekannt, dass mit dem Verkauf von Opel nicht nur der Zugriff von GM auf wichtige moderne Technologien und der Zugang zum europäischen Markt verloren geht, sondern diese Assets eventuell von russischen Wettbewerbern für deren Stärkung der Marktpositionierung genutzt werden könnte, was langfristig negative Folgen für GM hätte. Dazu kommt, dass der Opel-Käufer Magna nicht unbedingt der erhoffte weisse Ritter ist, wie Opel-Treuhandmitglied Dirk Pfeil nochmal bestätigt hat und daher die Entscheidung von GM sogar begrüsst hat:

Magna wäre mit der Opel Übernahme „glatt überfordert“ gewesen.

Im Grunde dürfen sich m.E. die damaligen Regierungsmitglieder von CDU/CSU und SPD gar nicht so stark aufregen, schliesslich haben diese indirekt sogar aktiv diese Entscheidung unterstützt: Opel gehört zu den größten Nutzniessern der deutschen Kfz-Abwrackprämie und konnte ihre wirtschaftliche Lage – zumindest temporär – verbessern. Jammern ist aber auch aus einem anderem Grund fehl am Platz: ob es sich wirklich um einen schwarzen Tag für Opel handelt, wie Betriebsratschef Klaus Franz heute sagte, hängt sehr stark auch von der bundesdeutschen Regierung und den betroffenen Bundesländern ab. Opel ist weiterhin ein Sanierungsfall und schmerzhafte Einschnitte werden notwendig sein, um ein tragfähiges Konzept umsetzen zu können. Wie stark die deutschen Standorte hiervon betroffen sein werden, bleibt abzuwarten. Aber es muss Lösungen geben, die weder den deutschen Steuerzahler einseitig belasten noch die Opel-Arbeitnehmer im Regen stehen lässt. Und das wird ein gewaltiger Spagat werden. Gut, dass der Wahlkampf vorbei ist.

Mehdorn pocht auf Vertragserfüllung

Ein Nachfolger für den scheidenden Deutsche Bahn Chef Hartmut Mehdorn war mit der Person des Daimler-Managers Rüdiger Grube schneller als gedacht gefunden und alles schien darauf hinzudeuten, dass die Bahn nunmehr langsam aus den Schlagzeilen kommen würde. Weit gefehlt! Denn Herr Mehdorn steht erneut im Feuer der Kritik. Hintergrund sind seine Forderungen nach der vollständigen, finanziellen Erfüllung seines bis Mai 2011 laufenden Vertrages, was de facto eine Abfindung in noch unbekannter Millionenhöhe bedeutet. Ansonsten müsste er rechtliche Schritte einleiten. Schnell wird daraus eine öffentliche Brandmarkung und vor allem die Gewerkschaften reagieren empört.

Was hierbei – erneut – nicht unterschieden wird, ist der Unterschied zwischen rechtlichen und moralischen Konsequenzen. Letzteres zu fordern, ist jedermanns Recht. Die rechtlichen Fragen müssen aber erst noch geklärt werden. In einem Rechtsstaat – und darauf sollten wir stolz sein – müssen Verträge nach dem Grundsatz pacta sunt servanda erfüllt werden. Und damit hat Herr Mehdorn trotz aller Anfeindungen wie jeder andere Bundesbürger das Recht, zur Klärung im Zweifelsfall von Gericht zu ziehen. Denn nur dort kann ein rechtsstaatliches Urteil auf Basis aller beweisbaren Tatbestände erfolgen. Und derzeit stehen Behauptungen u.a. aus der Daten-Affäre im Raum, die erst noch bewiesen werden müssen.

Ob das potentielle Urteil im persönlichen Empfinden aller Bürgerinnen und Bürger am Ende gerecht ist, bleibt offen. Sollte Hartmut Mehdorn kein Fehlverhalten nachzuweisen sein, dürfte es aus meiner Sicht schwierig werden, ihm die vertraglich zugesichteren Zahlungen zu verweigern. Gerade die Gewerkschaften sollten das wissen, sitzen deren Vertreter doch auch im Aufsichtsrat des Staatsunternehmens und dieser Aufsichtsrat hat schliesslich den Vertrag mit Hartmut Mehdorn entschieden. Populismus ist in Deutschland mal wieder en vogue, verantwortungsvolles Handeln sieht anders aus: zunächst muss eine Klärung der im Raum stehenden Vorwürfe erfolgen und dann kann entschieden werden, ob die Einhaltung des Arbeitsvertrages wirklich notwendig ist!

Deutsche Bahn-Chef zieht die Konsquenzen

Es waren dann doch wohl ein paar Affären zuviel, die dafür sorgten, dass die Deutsche Bahn AG nicht mehr aus den Schlagzeilen kam. Mit jedem Tag wurden neue, noch pikantere Details der Datenaffäre innerhalb des Staatsunternehmens veröffentlicht und der Druck auf Bahnchef Hartmut Mehdorn wurde immer stärker. Nachdem zuletzt auch der bundesdeutsche Politikkader immer seltener ihre Unterstützung demonstrierte, übernahm Mehdorn – endlich – die Verantwortung und bot seinen Rücktritt an:

Meine Damen und Herren, wir befinden uns derzeit am Beginn einer schweren, weltweiten Wirtschaftskrise, die auch für die DB AG und ihre Mitarbeiter gravierende Auswirkungen haben wird. […] Es ist für mich sehr bedrückend, dass sich Eigentümer, Mitarbeiter und Management, jetzt nicht mit aller Kraft auf die Lösung der sich daraus ergebenden Probleme konzentrieren können. Unsere Arbeit der letzten Jahre hat bewiesen, dass dieser Vorstand das Unternehmen und sein Geschäft versteht und deshalb gerade jetzt zur Gestaltung und Zukunftssicherung in schwierigen Zeiten gefragt ist. […] Keine Frage, ein Führungswechsel ist in solch schwieriger Lage nicht ohne zusätzliches Risiko. Aber das – meine Damen und Herren – müssen andere verantworten. Ich habe dem Aufsichtsratsvorsitzenden daher die Auflösung meines Vertrages angeboten.

Unabhängig davon, dass der Bahnchef weiterhin jede persönliche Schuld von sich weist und auch wenn er in seinen 15 Jahren als Chef der Bahn sicherlich eine weitestgehend erfolgreiche Arbeit gelesitet hat, als Vorstandsvorsitzender ist er aus meiner Sicht durch seine Position verantwortlich für das, was in seinem Unternehmen passiert. Und die Details der Daten-Affäre sind so pikant und unvertretbar, dass dieser Rücktritt zum Schutz der Deutsche Bahn AG notwendig war.

Die Auswirkungen aber können verherrend sein. Nun muss die Bundesregierung hastig einen neuen Bahn-Chef suchen und schon zeigt die Große Koalition erneut, wie uneinig sie doch ist. Während die SPD erneut eine gemeinsame Führung sowohl der Holding der Deutsche Bahn AG und der zur Privatisierung anstehenden DB Mobility Logistics fordert, präferiert die CDU dagegen eine Doppelspitze. Und da parallel auch der Finanzvorstand Diethelm Sack das Unternehmen verlassen wird, wird die Suche nach potentiellen Nachfolgern sowieso nicht einfach. Wer besitzt einerseits den notwendigen fachlichen Background, ein Unternehmen dieser Größenordnung zu führen und schafft es andererseits, sich gegen die viele Mitsprachewünsche der Politik durchzusetzen? Man kann schon fast behaupten, dass der Posten des Vorstandsvorsitzenden schnell zu einem Schleudersitz werden kann.

Denn gerade der hohe Einfluss der Politik kann sich in einer der Kernthemen der Bahn zu einem Bumerang entwickeln: wie bitte soll man potenziellen Investoren überzeugen, sich an der anstehenden Teilprivatisierung zu beteiligen, wenn es die Mitsprache deutlich eingeschränkt ist? Aus Sicht von Bankenkreisen ist eine Öffnung für private Anteilseigner unter Umständen für Jahre unmöglich. Es bleibt abzuwarten, inwiefern der laufende und für die Sanierung notwendige Wandlungsprozess von einem Staatsunternehmen zum Dienstleister dadurch zurückgeworfen wird. Vor allem Provinzpolitiker, denen die Privatisierungspläne von Anfang an ein Dorn im Auge waren, werden nun am lautesten jubeln. Hoffetlich bleibt ihnen dieses Lachen schon bald in der Kehle stecken.

Deutsche Bahn legt Abmahnung gegen Netzpolitik auf Eis

Die Vielzahl der Reaktionen auf die Abmahnung der Deutsche Bahn AG gegen den Blog netzpolitik.org und vor allem wohl die Schärfe des Gegenwindes hat dazu geführt, dass die Deutsche Bahn AG die Abmahnung nicht weiter betreiben will! Interessanterweise wird die Bahn aber ihre Abmahnung nicht zurückziehen, sondern sieht lediglich von weiteren juristischen Schritte gegen diesen Blogger ab. Dies hat er in einem Telefonat mit einem Bahnsprecher mündlich erfahren.

Es ist also weder eine offizielle Pressemitteilung geplant noch wurde Markus Beckedahl als Blogbetreiber direkt hierüber informiert. Eine Entschuldigung für dieses übertriebene Vorgehen, was aus meiner Sicht das Mindeste gewesen wäre, wird es demnach nicht geben. Für Markus freue ich mich sehr und hoffe, dass der Ärger langsam verdaut werden konnte, das peinliche Vorgehen in Sachen PR-Arbeit der Bahn wird damit um eine neue Qualität bereichert. Und eines darf insbesondere nicht vergessen werden: das Grundproblem der Vorgänge bei der Bahn bleibt bestehen! Wie kann es sein, dass ein Unternehmen in internen Rasterfahndungen die gesamten Mitarbeiter ohne hinreichenden Tatverdacht überprüft! Die Abwehr von Korruption ist ohne Frage eine wichtige Aufgabe eines Unternehmens und hierzu muss es Möglichkeiten geben. Aber die Verhältnismäßigkeit und das Einhalten von Gesetzen muss gewährleistet bleiben. Egal wie gross ein Unternehmen ist.