EU erhöht den Druck auf Deutschland wegen Vorratsdatenspeicherung

Die EU-Kommission hat laut einer aktuellen Pressemitteilung Deutschland und Rumänien eine Frist von zwei Monaten gesetzt, um die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Im März 2010 hatte – wie damals zu erwarten war – der Bundesgerichtshofes das vorgesehene bundesdeutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig angesehen und mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt. Hintergrund war i.w. der besonders schwere Eingriff in das Fernmeldegeheimnis bei der Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten, da damit inhaltliche Rückschlüsse bis in die Intimsphäre ermöglicht und somit auch Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile gewonnen werden könnten. Ein neuer Gesetzesentwurf wurde bisher nicht vorgelegt, das deutsche Justizministerium arbeitet jedoch seit längerem an einer modifizierten Umsetzung der Richtlinie. Ziel ist es dabei, die Eingriffe in die Privatsphäre deutlich zu reduzieren. Doch offenkundig erwartet die EU-Kommission eine uneingeschränkte Umsetzung:

Die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Daten schreibt Telekommunikationsbetreibern und Internetanbietern zwingend vor, Verbindungs- und Standortdaten für die Strafverfolgung zu speichern. Die Verzögerung bei der Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht durch Deutschland und Rumänien könnte negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt für elektronische Kommunikation sowie auf die Fähigkeit von Justiz- und Polizeibehörden haben, schwere Straftaten aufzudecken, zu untersuchen und zu verfolgen.

Ich hoffe sehr, dass sich die Bundesregierung hier nicht unter Druck setzen läßt. Bis dato ist meines Erachtens immer noch nicht bewiesen, dass die Vorratsdatenspeicherung die Aufklärungsquote erhöhen resp. die Zahl der begangenen Straftaten reduzieren könnte. Laut einem Artikel bei Heise online aus Januar 2011 unterlegt die polizeilichen Kriminalstatistik, dass die verdachtsunabhängige Datenspeicherung bei der Aufklärung schwerer Straftaten nicht weiter geholfen hatte. Warum also ohne Not die Bürgerrechte einschränken?

BVG kippt deutsche Vorratsdatenspeicherung

Ja, es ist ein guter Tag für den Datenschutz in Deutschland: wie erwartet hat der Erste Senat des Bundesgerichtshofes heute das bundesdeutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig angesehen und mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt. Kernpunkt der Kritik ist der besonders schwere Eingriff in das Fernmeldegeheimnis bei der Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten für sechs Monate, da damit inhaltliche Rückschlüsse bis in die Intimsphäre ermöglicht und somit auch Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile gewonnen werden könnten. Daher müssen auch alle bisher gespeicherten Daten umgehend gelöscht werden.

Wer sich ferner erhofft hatte, dass es zukünftig keine Vorratsdatenspeicherung mehr geben wird, dürfte heute enttäuscht worden sein oder wie die Süddeutsche kommentiert: Die Gegner der Datenspeicherung haben gewonnen, aber nicht gesiegt.. Gemäß dem Urteil wird die anlasslose Speicherung der Daten bei den Telefonunternehmen nämlich verfassungsrechtlich nicht schlechthin verboten, d.h. unter sehr stregen Auflagen darf die zu Grunde liegende EU-Richtlinie auch in Deutschland umgesetzt werden. Dass dieser – aus meiner Sicht nachvollziehbare – Kompromiss nicht immer auf Gegenliebe stösst, zeigen die entsprechenden Kommentare auf netzpolitik.org. Meines Erachtens wird hier oftmals vergessen, dass eine Grundfreiheit keinen höheren Wert hat als eine andere. Datenschutz und Bürgerrechte gehören zu unseren höchsten Gütern, aber auch das Verfolgen und Verhindern von Straftaten erfordert in einer modernen Welt sachgerechte Methoden. Und in begründeten und engumgrenzten Einzelfällen muss es möglich sein, auf entsprechende Telekommunikationsdaten zurückgreifen zu können. Es darf eben nur nicht willkürlich und ohne Rechtsprüfung erfolgen!

Vor allem war heute aber auch ein peinlicher Tag für die SPD und die CDU! Schliesslich war es die Große Koalition, die dieses Gesetz seinerzeit so beschlossen hatten und damit einen laxen Umgang mit dem Thema Bürgerrechte offenbarten. Aber nicht alle in der SPD scheinen sich hieran erinnern zu wollen. Dass sich der Thüringer SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie über das Urteil erfreut zeigte und sein Kommentar sind für mich blanker Hohn:

Die Freiheit des Einzelnen, die informationelle Selbstbestimmung und der Datenschutz sind hohe Güter, welche wir nicht leichtfertig auf dem Altar der Terrorbekämpfung opfern dürfen.

Richtig. Viele wussten das aber schon vor diesem wichtigen Urteil!