Aktuelles zum Censilia-Internetzensurgesetz

Aktuelles zum Censilia-InternetzensurgesetzSo wie Ursula von der Leyen letztes Jahr in der Blogosphäre für ihren Einsatz für das umstrittene Internetzensurgesetz den Spitznamen Zensursula bekommen hatte, so hat es nun auch die EU-Kommissarin für Inneres, Cecilia Malmström, erwischt: sie wird nun internetweit mit dem Begriff Censilia verbunden. Die von Ihr vorgestellten Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie der EU-Kommission beinhaltet in 26 Artikeln zwar viele nachvollziehbare und sinnvolle Regelungen, aber leider wird damit auch die Diskussion über Netzsperren neu gestartet und dabei nahezu dieselben Argumente der deutschen Sperrbefürworter benutzt, die durchweg widerlegt worden!!! Hierzu sind heute zwei wirklich hervorragende und lesenswerte Artikel erschienen, die sich dem Thema sehr sachlich nähern und (erneut) darlegen, wie widersinnig die Argumente sind:

Da wäre zunächste ZDNet.de mit dem Artikel Vorwand Kinderpornografie: EU-weites Zensurgesetz droht, der sich intensiv mit den Inhalten und der Entstsehungsgeschichte der Initiative beschäftigt und zu folgendem Fazit kommt:

Man darf nicht davon ausgehen, dass „Censilia“ Malmström die Websperren in guter Absicht vorschlägt. Dazu war sie auf der Pressekonferenz am Montag viel zu gut über die Diskussion in Deutschland informiert. […] Dass die Meinungs- und Informationsfreiheit bei der Darstellung von Kinderpornografie im Internet aufhört und dass der Schutz der Menschenwürde der missbrauchten Kinder Vorrang hat, ist auch unter den Sperrgegnern unumstritten. Das Problem liegt darin, dass die Sperren einerseits keine Wirkung zeigen und andererseits das sensible Thema Kinderpornografie dazu missbraucht wird, einen Vorwand zu liefern, europaweit eine Sperrinfrastruktur zu errichten.

Auf SpiegelOnline kommentiert man die aktuelle Initiative nicht nur unter dem Motto Warum der Sperren-Streit Zeitverschwendung ist, man führt auch die sieben wichtigsten Argumente gegen Netzsperren auf wie z.B.:

Der Großteil aller kinderpornografischen Inhalte, die weltweit vertrieben, getauscht, angesehen werden, stammt nicht von frei verfügbaren Websites. Pädophile bedienen sich in der Regel anderer, weniger offensichtlicher Kanäle: Peer-to-Peer-Netzwerke, Chatrooms, geschlossene Foren. Oder sie nutzen den Postweg. Man hat es hier mit organisierter Kriminalität zu tun. Der wird man nur Herr, wenn man sie mit polizeilichen Methoden bekämpft: Observation, Infiltration, Razzien. Dazu braucht man vor allem Ressourcen, Beamte, Zeit. Und den Willen, all das zu finanzieren.

Wollen wir hoffen, dass diese Argumente nun auch europaweit dieselbe Wirkung zeigen wie letztes Jahr in Deutschland und dieser erneute Versuch, die Bürger für dumm zu verkaufen und über die Hintertür eine Zensurstruktur zu installieren, ins Leere läuft.

EU will Internetsperren einführen

In den letzten Monaten hatte die Diskussion zum Thema Internet-Sperrlisten gegen Kinderpornographie sowohl in der Politik wie in der Blogosphäre zu heftigen Diskussionen geführt. Die von der Großen Koalition noch beschlossenen Netzsperren wurden dann aber von der neuen CDU-FDP-Bundesregierung ausgesetzt. vernunft hatte sich durchgesetzt, Vernunft darüber, dass mit Stoppschildern keine wirkungsvolle Kriminalititätsbekämpfung erreicht werden kann. Wer Tücher über Opfer ausbreitet und denkt, dass damit der Täter bestraft wird, hat zu kurz gedacht. Löschen statt Sperren war die Gegenforderung gewesen, eine Forderung, die die Bundesregierung nun in den Fokus stellen wollte. Doch leider sieht es aktuell so aus, als wenn es ganz anders kommen würde!

Die Europäische Kommission unter Leitung der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström will alle EU-Staaten verpflichten, den Zugang zu kinderpornografischen Webseiten zu blockieren.

Die geplanten Websperren sind Teil einer umfassenden Richtlinie zum Kinderschutz, die mit den dunklen Ecken des Internets und den kriminellen Bildern von Kindesmissbrauch aufräumen soll. […] Sollte die neue EU-Richtlinie Realität werden, entstünde in Deutschland eine paradoxe Situation: Die Bundesregierung müsste genau die Websperren einführen, die sie gerade ausgesetzt hat, um stattdessen ein Löschgesetz zu forcieren.

Auch wenn die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) diesn EU-Vorstoss ablehnt, gibt es doch wieder eine Reihe von Befürwortern der Netzsperren. Besonders die beiden folgenden Blog-Beiträge haben mich masslos geärgert:

WDR2: Internetsperren für Kinderpornografie / Autorin: Katrin Brand

Wenn alle sie darin unterstützen, auch die zögerliche Bundesregierung. Sie will die Seiten lieber löschen lassen, statt sie zu sperren, weil Sperren sich umgehen lassen. Das stimmt. […] Sperren hat auch nichts mit Zensur oder Eingriff in die Meinungsfreiheit zu tun. Kinderpornographie ist nie, unter keinen Umständen eine Meinung, sondern immer ein Verbrechen.

Kennzeichen Digital – Das BlogInternet: Höchste Zeit für Netzsperren gegen Kinderpornos

Wir haben lange genug gewartet. Auch Deutschland konnte sich bei dem „Kinderpornografie-Gesetz“, das letztes Jahr verabschiedet wurde, nicht auf konkrete weitgehende Maßnahmen gegen Pädophilie und Kinderpornografie im Netz durchringen, hatte die Internetsperren sogar abgelehnt. Das ist ein Skandal.[…] Gegner der Internetsperren befürchten eine weitergehende Zensur im Netz. Die EU-Kommission machte aber deutlich, dass es ihr nur um den Kampf gegen Kinderpornografie und den Schutz der Kinder gehe. Deutschland kann sich nicht weiter auf dem Recht auf freie Meinungsäußerung ausruhen.

Scheinbar scheinen alle konstruktiven Diskussionen bei einigen Vertretern der Medien nicht angekommen zu sein:

  1. Niemand setzt Kinderpornographie mit freier Meinungsäußerung gleich!!!!
  2. Wer Kinderpornographie im Internet bekämpfen will, muss die entsprechenden Seiten komplett löschen lassen und diejenigen strafrechtlich verfolgen, die diese Seiten eingestellt haben. Wer Stoppschilder fordert, forciert das Wegsehen!
  3. Wenn erstmal Netzsperren technisch umgesetzt sind, könne diese leicht für weitere Zensurmaßnahmen eingesetzt werden. Und das ist die grosse Gefahr, die in der Internet-Community gesehen wird.

Auch wenn die EU-Kommission aktuell ausschliesslich die bekämpfung der Kinderpronographie im Auge hat, so läßt sich der Adressatenkreis ganz schnell anpassen. Das zeigen Forderungen der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) im vergangenen Jahr, das bundesdeutsche Gesetz für Zugangssperren im Internet auch auf unzulässige und jugendgefährdende Inhalte auszuweiten. Solche und ähnliche Forderungen werden der EU-Kommission schnell gestellt werden, davon ist auszugehen. Und – man kann es wohl nicht oft genug sagen – das Grundthema bleibt für viele: Löschen statt Sperren !!!Damit wird die Kinderpornographie im Internet eingedämmt. Nur ist dieser Weg schwieriger und arbeitsintensiver – zu arbeitsintensiv für unsere EU-Politiker???

Löschen statt Sperren – FDP setzt sich durch

Auch wenn die Koalitionsverhandlungen in Berlin zwischen CDU/CSU und FDP bei weitem noch nicht abgeschlossen sind, so gibt es laut Agenturmeldungen zumindest im Bereich der Inneren Sicherheit Einigkeit was die wichtigen Themenbereiche Online-Durchsuchungen, Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren betrifft. Und wie es sich laut Inforamtionen von Heise (Internetsperren sind vorerst vom Koalitionstisch / Koalitionsvereinbarung: Web-Sperren weg, Vorratsdatenspeicherung eingeschränkt) zeigt, konnte die FDP hier deutlich mehr Schwerpunkte setzen:

So wird die Online-Durchsuchung zukünftig nur noch auf Antrag der Bundesanwaltschaft möglich sein und darf auch weiterhin nur durch das BKA vorgenommen werden. Eine Ausweitung auf andere Behörden wie der Bundesverfassungsschutz sind damit vom Tisch. Bei der Vorratsdatenspeicherung soll die Nutzung der Daten weiter eingeschränkt werden und nur in besonders schweren Fällen genutzt werden kann. Auch eine Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung bis zur endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wird nicht ausgeschlossen. Ausgesetzt werden kann diese Form der Überwachung derzeit nicht, da es sich um ein europäisches Gesetz handelt.

Besonders freut es mich natürlich, dass die umstrittenen Internetsperren gestoppt wurden. Das entsprechende Gesetz, dass noch von der Großen Koalition auf den Weg gebracht wurde, wird zunächst für ein Jahr ausgesetzt, damit sich in dieser Zeit das BKA nach dem Motto Löschen statt Sperren verstärkt um den Ausbau der internationalen Zusammenarbeit zum Löschen dieser Inhalte kümmern kann. Die Weitergabe von Sperrlisten an die Zugangsanbieter wird während dieser Zeit nicht stattfinden. Nach Ablauf des Jahres sollen die Ergebnisse dieser Maßnahmen ausgewertet werden, um dann eine endgültige Entscheidung zu treffen.

Sicherlich wäre auch für mich eine komplette Gesetzesrücknahme noch besser gewesen, aber Koalitionsverhandlungen sind nunmal grundsätzlich von Kompromissen geprägt und niemand wird 100% seiner Vorstellungen durchsetzen können. Viel wichtiger ist für mich das Ziel:

Für die Liberalen handelt es sich dabei um eine Lösung, die es der Union beim Abschied vom Web-Sperren ermöglicht, das Gesicht zu wahren. Man werde nach Ablauf der Frist darauf drängen, das Zugangserschwerungsgesetz komplett aufzuheben.

Die Verhandlungsführerin der Liberalen in der Arbeitsgruppe, die bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ergänzte, dass „kinderpornographische Abbildungen und Texte aus dem Netz entfernt“ werden müssten. Das Internet sei schließlich kein „rechtsfreier Raum“. Konkret setzen die Liberalen vor allem auf die Internetwirtschaft und die Verbesserung von Hotlines zum Löschen illegaler Inhalte wie INHOPE, dass das BKA auf dem kleinen Dienstweg über eine direkte Ansprache von Providern ohne den Umweg über ausländische Polizeibehörden mehr zum Entfernen kinderpornographischer Angebote aus dem Netz beitragen könnte.

In einem Jahr wird sich die FDP genau daran messen lassen müssen und ich glaube nicht, dass irgendjemand in der Parteizentrale davon ausgeht, dass dies bis dahin vergessen sein wird. Dafür wird das Web schon sorgen!

ZDF-Wahlforum: Zensur im Internet?

Gestern abend lief im ZDF die Sendung Wahlforum, an der u.a. Ursula von der Leyen (CDU), Sigmar Gabriel (SPD), Dirk Niebel (FDP) und Cem Özdemir (Grüne) teilgenommen haben. Im Verlauf der Sendung kam auch das Thema Zensur im Internet? zur Sprache, wer die Sendung nicht sehen konnte, kann den Teil inzwischen auch bei YouTube anschauen:

Was war das denn? Frau von der Leyen konnte hier – massiv unterstützt von den offenkundig überforderten Moderatoren – erneut ihre faktenlose und auf den Bauch der Zuschauer fokussierte Pseudoargumentation vortragen, ohne dass hier auf einem journalistisch adäquaten Niveau die Basis dieser angeblichen Argumente von Zensursula auch nur ansatzweise hinterfragt wurden! Wo waren die Fragen nach den angeblichen Staaten, in denen Kinderpornographie erlaubt sind? Wo war der Hinweis, dass die Sperrlisten dem Abdecken von Mordopfern entspricht, anstelle nach dem Mörder zu fahnden? Fehlanzeige!!! Die Versuche von Cem Özdemir, hier qualitativ zu diskutieren, wurden einfach übergangen und Dirk Niebel – was mich wirklich enttäuscht hat – versuchte gar nicht erst, hier entgegen zu halten.

Auf internet-law.de gibt es unter der Überschrift Die falschen Propheten der Mediendemokratie einen empfehlenswerten und treffenden Kommentar, der mit folgendem Schluss endet:

In so einer Runde wäre es vermutlich auch sinnvoll gewesen, nochmals deutlich zu machen, dass dieses Vorhaben ungeeignet ist auch nur ein einziges Kind zu schützen, sondern, dass der Staat ganz im Gegenteil Wegweiser für Pädophile aufstellt, die ihnen das Auffinden solcher Inhalte noch erleichtert. […] Dem Saalpublikum dürfte deshalb, wie vielen Menschen da draußen, auch nicht bewusst gewesen sein, dass sie mit Ursula von der Leyen einer falschen Prophetin Beifall gespendet haben.

Kommt eine Ausweitung der Internet-Sperrlisten?

Dass Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit der Einführung der Internet-Sperrlisten nicht nur die Sperrung von kinderpornographischen Seiten plant, war von nicht wenigen Kritikern befürchtet worden. In einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt hat Zensursula nun ergänzende Überlegungen angestellt:

Mir geht es jetzt um den Kampf gegen die ungehinderte Verbreitung von Bildern vergewaltigter Kinder. Doch wir werden weiter Diskussionen führen, wie wir Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet im richtigen Maß erhalten. Sonst droht das großartige Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann.

Erneut behauptet Frau von der Leyer, dass das Internet ein rechtsfreier Raum wäre und dokumentiert damit ihre Unwissenheit und fehlende Kompetenz. Besser als der Strafverteidiger Udo Vetter im Lawblog kann man es wirklich nicht kommentieren:

Mobben, beleidigen, betrügen. All das kann man im Internet tun. Genau so, wie man es im wirklichen Leben tun kann, zum Beispiel Angesicht zu Angesicht, per Brief, Fax oder Telefon. Aber egal, wie man es macht – es ist strafbar und wird verfolgt. Auch im Internet.

Aber auch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) Verschärfung der Gesetze auf Zugangssperren im Internet, wie man bei Heise.de lesen kann:

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) will sich für eine Verschärfung der Gesetze in Richtung auf Zugangssperren im Internet einsetzen, wenn Internet Service Provider (ISP) nicht freiwillig „unzulässige und jugendgefährdende Inhalte“ sperren. […] Darin ließe sich etwa die Möglichkeit schaffen, dass die Behörde die Provider direkt in die Pflicht nimmt, ohne zuerst den eigentlichen Inhalteanbieter abzumahnen.

Wie weit wird also die Netzzensur noch gehen? Welche Inhalte sollen als nächstes gesperrt werden. Verbote anstelle Sachdiskussionen – kommt nach Web 2.0 nun Zensur 3.0?

Bundestag beschliesst Zensursula-Gesetz

„Danke“ an die 389 Abgeordneten, die gestern bei der Abstimmung zum Gesetz über die Einrichtung von Internet-Sperren für den Gesetzesentwurf von Ursula „Zensursula“ von der Leyen gestimmt haben und damit sowohl einen der wichtigsten Artikel im Grundgesetz, den Artikel 5 zum Thema Meinungsfreiheit, und andererseits eines elementaren Prinzipien einer Demokratie, die Gewaltenteilung, unterlaufen haben! Wie man bei abgeordnetenwatch.de nachlesen kann, haben bei der CDU/CSU-Fraktion bis auf einen Abgeordneten alle Anwesenden zugestimmt und auch bei der SPD gab es gerade mal 3 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen. Und das obwohl selbst der Online-Beirat der SPD öffentlich Widerstand gegen das Gesetz geäußert hat. 134.014 Unterschriften für die ePetition – Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten vom 22.04.2009 haben genausowenig ausgereicht wie die Bedenken von Fachleuten und dem Bundesdatenschutzbeauftragten, die auf die möglichen und dann gravierenden Auswirkungen dieses Gesetzes hingewiesen haben. Populismus statt Intelligenz – das hat gesiegt!

Interessant finde ich auch, dass sich bei den Grünen ein Drittel der anwesenden Abgeordneten nur enhalten haben. Lediglich die FDP und die Linken haben durchweg gegen das Gesetz gestimmt. Für die Liberalen werte ich das als Besinnung auf die alten Traditionen als Bürgerrechts-Partei, was mich persönlich sehr freut. Das Abstimmungsergebnis der Linken nehme ich nicht ernst. Erstens ist die Linke immer in der Regel grundsätzlich gegen alles im Bundestag und zweitens darf man nicht vergessen, dass die Linke die offizielle Nachfolgepartei der SED ist, die es definitiv geschaffte hatte, mit der Stasi das Thema Zensur zu perfektionieren!

Mit diesem Gesetz zu den Internet-Sperrlisten wurde der Aufbau einer umfassenden Zensur-Infrastruktur legitimiert, womit wir uns als Deutschland in Partnerschaft zu Staaten wie China, Iran und Nord-Korea befinden, die unsere Regierung u.a. wegen der dort stattfindenden Zensur immer wieder kritisiert haben. Wer glaubt, dass diese Zensurbefürchtungen überzogen sind, wurde schnell eines besseren belehrt: wenige Stunden nach der Abstimmung hat der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl seine Forderung wiederholt, dass über die Sperrung kinderpornografischer Seiten im Internet hinausgangen werden muss und hat auch die Sperrung von gewalttätigen Computerspielen gefordert. OK, von dem Schwiegersohn von Herrn Schäuble habe ich keine anderen Ansichten erwartet, aber ob dies eine Einzelmeinung ist, bleibt abzuwarten. Da der Damm erstmal gebrochen ist, wird es schnell weitere Forderungen geben. Warten wir mal ab, welche Seiten auf den Sperrlisten stehen, wenn diese erstmal durch einen glücklichen Umstand bekannt werden.

Vorerst bleibt nur eins:

R.I.P Artikel 5 GG
Danke an Reizzentrum für diese gelungene Traueranzeige und an gr4ys blog für das WordPress-Plugin Trauer mit der R.I.P.-Grafik oben rechts!

Über 90% sind gegen Internetsperrlisten

Es zeigt sich mal wieder, dass das Ergebnis einer Umfrage sehr stark von der Art der Fragestellung abhängt. Nachdem die Deutsche Kinderhilfe eine sehr manipulative Fragestellung verwendet hatte (Sind Sie für ein Gesetz zur Sperrung kinderpornographischer Seiten im Internet oder dagegen?), woraufhin 92% der Befragten bekanntermassen sich für die Sperrung ausgeprochen hatte, liegt nun ein komplett anderes Umfrageergebnis vor. Der Verein Mogis – Missbrauchsopfer gegen Internetsperren hat ebenfalls bei Infratest eine durch Spenden finanzierte Umfrage in Auftrag gegeben. Und hier war die Fragestellung weitaus konkreter, wie man bei Zeit.de nachlesen kann:

Mogis nun ließ Infratest fragen, ob man folgender Aussage zustimme oder sie ablehne: „Der Zugang zu Internetseiten mit Kinderpornographie sollte durch eine Sperre erschwert werden, das reicht aus, auch wenn die Seiten selbst dann noch vorhanden und für jedermann erreichbar sind.“ […] Nur fünf Prozent der insgesamt 1000 Befragten sind für eine solche Lösung, mehr als 90 Prozent also lehnen Netzsperren ab. […] Nächste Frage Mogis: „Internetseiten mit Kinderpornographie sollten konsequent gelöscht und die Betreiber strafrechtlich verfolgt werden.“ Zustimmende Urteile kamen von 92 Prozent.

Wollen wir also hoffen, dass auch über diese Umfrage so zahlreich in den Medien berichtet wird und immer mehr Bürgern klar wird, dass der geplante Gesetzentwurf alles andere als sinnvoll ist! Keine Stoppschilder, sondern konsequentes Vorgehen gegen die Täter, dass mus das Ziel sein. Handeln statt Wegschauen! Löschen statt Sperren! – so lautet das Motto von Mogis, dem sollte sich auch die Bundesregierung anschliessen.

Internet-Sperrlisten: angeblich eindeutiges Umfrageergebnis

92% der Deutschen sind laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap im Auftrag der Deutschen Kinderhilfe für die Sperrung kinderpornografischer Seiten im Internet, was Georg Ehrmann, Vorsitzender der Organisation wie folgt kommentiert:

Das Ergebnis der Umfrage bestätigt meinen Eindruck, dass es sich bei den Unterschreibern der Online-Petition um Internetliebhaber, Blogger, im Grunde also um eine Minderheit handelt wenn auch eine gut organisierte.

Mich überrascht das Ergebnis der Umfrage gar nicht, auch wenn ich bisher die genaue Fragestellung der Umfrage nirgendwo im Web gefunden habe. Aber die Frage, ob man für Internet-Sperren von kinderpornografischen Internet-Seiten ist, dürfte vom Großteil der Bevölkerung mit der Löschung der entsprechenden Website gleichgesetzt werden. Und ohne Detailkenntnisse der genauen Hintergründe hätte ich bei einer entsprechende Umfrage wohl auch die Frage bejaht. Und genau das ist es eben, was diese Minderheit der Teilnehmer an der Online-Petition unterscheidet: sie kennen die Details, sie kennen die Gefahren und sie wissen, dass eine Sperrung nichts mit einer Löschung der Inhalte zu tun hat!

Aber diese offenkundig populistische Vorgehensweise passt eindeutig zum Profil der Deutschen Kinderhilfe, wie Stefan Niggemeier in seinem Artikel Die Demagogie der Deutschen Kinderhilfe zusammengetragen hat. Und ergänzend dazu sollte man auch den Artikel Die religiöse Härte hinter dem Lächeln – Familienministerin von der Leyen und ihre Verbindungen auf Telepolis gelesen haben. Es ist erschreckend, wie hier mit offenkundiger Desinformation und nicht bewiesenem Zahlenmaterial versucht wird, Meinungsmache zu betreiben. Wie würde wohl das Ergebnis einer Umfrage mit der Fragestellung Verdienen Politiker in Deutschland zuviel? ausfallen? Sicherlich auch offenkundig eindeutig.

Ich bewundere die 7% der Befragten zur Sperrung kinderpornografischer Seiten, die sich gegen diese Sperren ausgesprochen haben. Da man nicht davon ausgehen kann, dass es sich hierbei um Konsumenten handelt, muß es sich somit um Mitbürgerinnen und Mitbürger handelt, die die Diskussion rund um das Thema DNS-Sperren mitbekommen haben und wissen, was hier geplant ist. Dass zeigt mir, wie wichtig es bleibt, Aufklärungsarbeit zu leisten und möglichst objektive Diskussionen zu führen. Je stärker die Details auch in den Printmedien bekannt gemacht werden, desto geringer wird auch der Anteil der Befürwörter werden. Die Opposition hat das schon erkannt, wie u.a. ein Ergebnis des FDP-Bundesparteitages zeigt, auf dem die Delegierten der FDP mit überwältigender Mehrheit gegen die geplante Internetzensur gestimmt haben.

Zensur ist eine gefährliche Waffe. Und diese darf nur dann benutzt werden, wenn es wirklich keine andere Alternative gibt. Und genau hier setzen beim Thema Internet-Sperrlisten nunmal die berechtigten Kritiken an. Sperren ist nicht löschen und die Verbreitung von Kinderpornographie ist auch im Internet eine Straftat. Und diese Straftaten gehören mit der gesamten Härte eines Rechtsstaates verfolgt! Keiner würde auf die Idee kommen, dass nach einem Mord der Tatort mit einer Plane samt Stopp-Schild abgedeckt wird und niemand nach dem Mörder sucht. Oder?

Erklärung von Eltern aus IT-Berufen zu Internetsperren veröffentlicht

Der Hamburger IT-Unternehmer Hanno Zulla (liebe Grüsse in meine Geburtstadt!) hat eine Erklärung von Eltern aus IT-Berufen zu Internetsperren veröffentlicht, die – wie der Name schon sagt – von 420 Eltern unterzeichnet wurde, die in der IT-Branche arbeiten, und die sich ebenfalls kritisch mit der aktuellen Diskussion rund um das geplante Gesetz zur DNS-Blockade auseinandersetzt:

Über 420 Familien von Internet-Fachleuten unterstützen ePetition gegen Internetsperren und fordern Sach- statt Symbolpolitik.

Die Unterzeichner dieser Erklärung sind Eltern, die in Deutschland in Fachberufen der Informationstechnologie arbeiten: Software-Entwickler, System-Administratoren, promovierte Informatiker, Mathematiker und Physiker, Wissenschaftler, Professoren, Selbstständige, Angestellte, Beamte, etc.

Die Bundesregierung forciert derzeit die Einführung von so genannten Internetsperren als vermeintlich effektive Maßnahme gegen Kinderpornographie. Als Internet-Experten widersprechen wir diesem Plan und erklären hierzu:

  • Wir fordern eine sachliche Diskussion
    Unterstützer der Petition gegen Internetsperren sind keine Befürworter der Verbreitung von Kinderpornographie. Im Gegensatz zu dieser unsachlichen und bösartigen Unterstellung wünschen sie sich wirksame Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch und Internetkriminalität.

  • Wir fordern eine ehrliche Diskussion
    Die vom Familien- und Wirtschaftsministerium wiederholt benutzten Argumente basieren auf einer fahrlässig verzerrten Darstellung. Weder die Aussagen über gestiegene Fallzahlen noch die genannte Zahl der Seitenabrufe noch die behauptete Existenz einer kommerziellen Kinderpornoindustrie halten einer inhaltlichen Überprüfung stand.

  • Eine technische Maßnahme ist ungeeignet zur Lösung eines gesellschaftlichen Problems
    Wer auf einer Pressekonferenz effektvoll ein “Stoppschild im Netz” in die Kameras hält, tut damit nichts gegen Kinderpornographie. Statt knalliger Wahlkampfsymbolik ist zähe, nachhaltige Sachpolitik gefragt.

  • Wir fordern eine bessere IT-Ausbildung für Justiz und Polizei
    Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Illegale Internet-Inhalte werden auf Servern angeboten. Diese Server stehen in Ländern mit Gesetzen. Diese Server lassen sich abschalten, ihre Betreiber lassen sich ermitteln – wenn Justiz und Polizei das nötige Personal mit IT-Sachverstand haben und international kooperieren. Die angebliche Schwierigkeit, solche Straftaten international zu verfolgen, betrachten wir als ein haltloses Argument.

  • Wir fordern eine bessere Ausstattung der Sozialbehörden, um Kindesmissbrauch in Familien zu bekämpfen
    Kinderpornographie ist die Dokumentation von Kindesmissbrauch, zumeist im privaten Umfeld durch ältere Familienmitglieder. Wer an der Präventions- und Sozialarbeit spart, lässt Verwahrlosung und Missbrauch ihren Lauf.

  • Internetsperren sind einer Demokratie unwürdig
    Bei dem von der Bundesregierung gewünschten System soll eine geheime Sperrliste ohne demokratische Kontrolle von einer Polizeibehörde geführt werden. Aber noch bevor die Internetsperre durchgesetzt wurde, melden Lobbyisten, Politiker und Minister bereits lautstark Begehrlichkeiten zur Sperrung anderer ungenehmer Inhalte an. Wir sehen hier den Dammbruch für eine Zensurinfrastruktur.

Ausdrücklich widersprechen wir auf fachlicher Ebene Herrn Prof. Dr. Christoph Meinel.
Das Thema Kinderpornographie ist zu ernst, um es für Wahlkampfeffekte zu missbrauchen.

Ich finde diese Erklärung einfach nur klasse, da sie einerseits kurz und prägnant ist und andererseits sehr sachlich die Lücken an der Gesetzesvorlage aufzeigt. Danke!

DNS-Sperren: interessantes Urteil des Landgerichts Hamburg

Auch wenn das Urteil des Landgerichts (LG) Hamburg vom 12. November 2008, welches jetzt veröffentlicht wurde, nichts direkt mit der aktuellen Diskussion rund um die Internet-Sperrlisten zu tun hat, interessant ist es aber meines Erachtens auf jeden Fall. Wie Heise.de berichtet, ging es um eine Klage von fünf Unternehmen der Filmindustrie gegen einen Internetanbieter, den Zugriff von Kunden auf eine in Indien gehostete Website per DNS-Sperre zu unterbinden. Das Gericht kam aber zu dem Urteil, dass DNS-Sperren nur bedingt geeignet sind:

Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht der Richter die verlangte Sperrungsanordnung durch DNS-Sperren zwar technisch möglich. Es fehle allerdings an der Zumutbarkeit derartiger Blockaden. Insbesondere sei dabei die Eignung der in Betracht kommenden Maßnahme zu berücksichtigen. Die Einrichtung einer DNS-Sperre sei zur Verhinderung des Zugriffs auf einen Internetauftritt „aufgrund von Umgehungsmöglichkeiten, etwa durch Eintragung eines anderen Nameservers“, nur „beschränkt geeignet“. Dem Vortrag der Filmindustrie, wonach die Mehrzahl der „durchschnittlichen Internetnutzer“ durch die DNS-Sperre davon abgehalten würden, einen anderen Weg zu den gesperrten Inhalten zu suchen, wollte das Gericht keinen Glauben schenken. Tatsächlich sei es den Richtern selbst „in wenigen Minuten“ gelungen, eine Internetseite mit einer Anleitung zur Umgehung mit den verfügbaren Nameservern zu finden.

Ich glaube, man braucht kaum weitere Worte zu verlieren: nun liegt sogar schon ein erstes Urteil vor, welches einerseits eines der Argumente der Kritiker bestätigt und damit andererseits darlegt, wie falsch die geplante Gesetzesvorlage zum Thema Internet-Sperrlisten ist. Noch ein Grund mehr, an der Online-Petition gegen die Sperrung von Internetseiten teilzunehmen.

Und es gibt einen weiteren lesenswerten Artikel auf Zeit Online mit dem Titel Netzsperren: Von der Leyens unseriöse Argumentation:

In der Debatte um die Sperrung von Internetseiten zur Bekämpfung von Kinderpornografie steht man nicht fundierten Argumenten gegenüber, sondern einem Berg wilder Behauptungen. […] Es gibt keine Belege dafür, dass Internetsperren zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch wirksam sind, auch wenn das Bundesfamilienministerium dies mit Verweis auf Länder wie Schweden behauptet. Die schwedische Polizei beispielsweise gestand die Untauglichkeit solcher Maßnahmen längst ein. Leider gelinge es durch Sperren nicht, die Produktion von Webpornografie zu vermindern.

Der Artikel stammt von Lutz Donnerhacke, der in seinem Odem-Blog noch viel ausführlicher die Zahlen und Hintergründe analysiert hat.

Schade nur, dass sich Frau von der Leyen bei diesem Thema weiterhin kritikunfähig und beratungsresident zeigt und das umstrittene Gesetz wie geplant zur Entscheidung noch in dieser Legislaturperiode bringen will.