Was besser nie gesagt worden wäre

Mit Günther Grass verbindet mich seit meiner Schulzeit wenig, vor allem jedoch eine eher zwiespältige Einschätzung seines literarischen Werkes. Die Blechtrommel habe ich noch gern gelesen, aber Der Butt wird wohl für immer das langweiligste Buch bleiben, was ich lesen durfte / musste. Ob er 1999 den Nobelpreis für Literatur „verdient“ hatte, mögen anderen entscheiden, die dafür befähigt sind. Was meines Erachtens aber einem Nobelpreisträger nicht gerecht wird, ist das (angebliche) Gedicht, welches Günther Grass diese Woche veröffentlicht hat: Was gesagt werden muss.

Zunächst einmal ist es für mich kein Gedicht, denn es besitzt keinerlei Prosa noch wirkliche gedichtsähnliche Strukturen. Auch inhaltlich ist es für mich eher ein Kommentar, ein Artikel somit. Ich weiss, das ist jetzt sehr formalistisch, aber wenn ein Literaturnobelpreisträger ein Gedicht ankündigt, dann sollte es auch ein Gedicht sein!

Was viel schlimmer wiegt, ist der realitätsverzerrende Inhalt des Pseudo-Gedichtes. So berechtigt die Angst vor einem möglichen Atom-Schlag seitens Israels gegen den Iran ist und so notwendig es auch immer sein wird, dass alle Völker und alle Regierungen ihr Bestes geben müssen, um andere Staaten davon abzuhalten, eine kriegerischen Erstschlag egal gegen wen durchzuführen, aber eine einseitige Verurteilung des israelischen Volkes als Problemherd ist weder zielführend noch gerechtfertigt. Alleine die Bewertung des iranischen Staatschefs Mahmud Ahmadinedschad als „Maulheld“ implementiert, dass vom Iran keine Gefahr ausgehen würde. Dabei ist es immer wieder Mahmud Ahmadinedschad, der den Holocaust leugnet und dessen erklärtes Ziel es ist, Israel von der Landkarte zu tilgen. Und wenn es sich bewahrheitet, dass der Iran in der Lage ist, atomare Waffen zu bauen: ist die iranische Diktatur weniger gefährlich als die israelische Demokratie?

Günther Grass nun als Antisemit zu bezeichnen, ist jedoch genauso niveaulos wie der „literarische Erguß“ von Günther Grass. Was gesagt werden muss ist einfach nur eine indifferente, unzutreffende und in einzelnen Punkten fehlerhafte Pauschalkritik. Also nichts weiter als unnötig!

Und wer das Gedichtden Text noch nicht kennt, kann ihn nachstehend und vollständig lesen:

Warum schweige ich, verschweige zu lange,
was offensichtlich ist und in Planspielen
geübt wurde, an deren Ende als Überlebende
wir allenfalls Fußnoten sind.

Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag,
der das von einem Maulhelden unterjochte
und zum organisierten Jubel gelenkte
iranische Volk auslöschen könnte,
weil in dessen Machtbereich der Bau
einer Atombombe vermutet wird.

Doch warum untersage ich mir,
jenes andere Land beim Namen zu nennen,
in dem seit Jahren – wenn auch geheimgehalten –
ein wachsend nukleares Potential verfügbar
aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung
zugänglich ist?

Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,
dem sich mein Schweigen untergeordnet hat,
empfinde ich als belastende Lüge
und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,
sobald er mißachtet wird;
das Verdikt „Antisemitismus“ ist geläufig.

Jetzt aber, weil aus meinem Land,
das von ureigenen Verbrechen,
die ohne Vergleich sind,
Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird,
wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auch
mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert,
ein weiteres U-Boot nach Israel
geliefert werden soll, dessen Spezialität
darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe
dorthin lenken zu können, wo die Existenz
einer einzigen Atombombe unbewiesen ist,
doch als Befürchtung von Beweiskraft sein will,
sage ich, was gesagt werden muß.

Warum aber schwieg ich bislang?
Weil ich meinte, meine Herkunft,
die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist,
verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit
dem Land Israel, dem ich verbunden bin
und bleiben will, zuzumuten.

Warum sage ich jetzt erst,
gealtert und mit letzter Tinte:
Die Atommacht Israel gefährdet
den ohnehin brüchigen Weltfrieden?
Weil gesagt werden muß,
was schon morgen zu spät sein könnte;
auch weil wir – als Deutsche belastet genug –
Zulieferer eines Verbrechens werden könnten,
das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld
durch keine der üblichen Ausreden
zu tilgen wäre.

Und zugegeben: ich schweige nicht mehr,
weil ich der Heuchelei des Westens
überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen,
es mögen sich viele vom Schweigen befreien,
den Verursacher der erkennbaren Gefahr
zum Verzicht auf Gewalt auffordern und
gleichfalls darauf bestehen,
daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle
des israelischen atomaren Potentials
und der iranischen Atomanlagen
durch eine internationale Instanz
von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.

Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern,
mehr noch, allen Menschen, die in dieser
vom Wahn okkupierten Region
dicht bei dicht verfeindet leben
und letztlich auch uns zu helfen.

2 Gedanken zu „Was besser nie gesagt worden wäre“

  1. Grüß Gott!

    Meine Unterstützung hat Grass voll und ganz. Der Satz von Ahmadinejad, das Israel ausgelöscht gehört, ist meinem Kenntnisstand nach falsch übersetzt/interpretiert.
    Hat Grass selbst gesagt er viel den Text als Gedicht verstanden wissen?
    Besser Jemand macht auf das drohende Problem aufmerksam, als das alle wegksehen wie seinerzeit bei Hitler.
    Niemand weiß ob der Iran eine Bombe hat und das Recht auf friedlich genutzte Atomenergie kann und darf man dem Iran nicht absprechen, woher die Angst vor einer Atombombe letztlich einzig rühert.

    Sieglinde Abd El Aziz

  2. Dadurch, dass Günther Grass, das Problem einzig bei Israel sieht und damit die Gefahr aus dem Iran negiert, hat er sich komplett disqualifiziert. Dass seitens des Irans, obwohl Günther Grass Mahmud Ahmadinedschad als Maulheld bezeichnet hat, Lob kommt, unterlegt die Gefährlichkeit der einseitigen Schuldzuweisung.

    Das mit der fehlerhaften Übersetzung kann ich nicht einschätzen. Gerade im Arabischen ist eine wörtliche Übersetzung sehr schwierig, wie ich von jemanden weiss, der Arabisch lernt. Es gibt aber genügend Aussagen von Mahmud Ahmadinedschad, die verdeutlichen, wie er gegenüber Israel steht und was seine Ziele sind.

    Niemand spricht i.ü. dem Iran das Recht auf friedliche Nutzung der Atomkraft ab. Es geht alleine darum, dass die hierfür notwendigen Techniken für den Bau von Atombomben genutzt wird. Und da sich der Iran immer wieder nachhaltig weigert, den Beweis dafür anzutreten, dass dem nicht so ist. Und das macht mir ebenfalls Angst!

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